Rio Negro - Amazonas
Das 16-köpfige Team aus Wissenschaftlern, Kameramann, Teamarzt, Zoohändlern, Zoofachverkäufern und Aquarianern begann die Expedition in Manaus, am Zusammenfluss des Rio Negro mit dem Solimões, der ab dort dann Amazonas genannt wird. Von Manaus ging es dann mit einem kleinen Flugzeug noch 600 km flussaufwärts nach Barcelos, dem Zentrum des Zierfischfangs am Rio Negro. Schon kurz nach der Ankunft erreichte das Team an Bord der ALYSON, einem typischen Amazonasboot unter der Leitung des Engländers John Chalmers, die ersten Zierfisch-Zwischenhälterungsstationen am Rio Negro. Obwohl die erfahrenen Zoohändler nun schon Millionen von Roten Neons gesehen hatten, war der Anblick der frisch gefangenen Tiere im Netzbehälter etwas ganz Besonderes. Genau genommen befanden sich die Behälter acht Meter hoch in den Bäumen, weil die Flüsse Ende April ein extremes Hochwasser führten und das gesamte Gebiet zwischen sechs und acht Metern überflutet war!
Sofort wurden auch an Ort und Stelle die Wasserwerte des Schwarzwassers gemessen und analysiert: ein niedriger pH-Wert von 4,5 gepaart mit keiner messbaren Härte und einem Gesamtsalzgehalt von 16 µS/cm bestätigen die Literaturangaben über die Herkunftsgebiete des Roten Neon und vieler Diskus. Nach diesem ersten Stopp fuhr die Alyson bis spät nachmittags den Rio Negro flussabwärts Richtung Manaus. Ziel waren nun einige Nebenflüsse, deren verschiedene Wassertypen und damit auch die unterschiedliche Fauna sowie Flora zu untersuchen.
Rio Branco
Am nächsten Tag wurde der Rio Branco, ein typischer Weißwasserfluss erreicht. Obwohl der pH-Wert mit 6,5 etwa 100 mal weniger Säure als der Rio Negro anzeigte, stieg die Leitfähigkeit nur auf 19 µS/cm an. Unter Wasser waren Beobachtungen kaum möglich, da Weißwasser optisch zwar heller als das Schwarzwasser aussieht, jedoch trüber ist und weniger Sichtweite bietet. Einige Indios berichteten von einem See im Landesinneren, nur wenige Gehminuten vom Ufer des Rio Branco entfernt und so machte sich das Team zu Fuß auf das Gewässer zu suchen. Der See entpuppte sich als Überflutungsgebiet, bot aber eine interessante Fauna, sowohl über als auch unter Wasser. Von großen Saugwelsen (Hypostomus) bis zu Echsen (Skinke) war alles zu finden. Leider auch viele Mosquitos, vor denen das Team auf dem Rio Negro verschont blieb. Das mosquitofeindliche Schwarzwasser hält die Mückenpopulationen sehr niedrig und weist auch praktisch kein Plankton auf (Mikroskop-Untersuchungen).
Am dritten Expeditionstag verließ die Alyson den Rio Negro und das Team suchte im überfluteten Regenwald den Beginn des Rio Jauaperi, den ersten Klarwasserfluss im Programm. In kleinen Booten fuhr das Team zwischen den Baumkronen, die einen Flusslauf erahnen ließen, den Rio Jauaperi hinauf. Nach einer halben Stunde Fahrt änderte sich das Wasser schlagartig und das erste Klarwasser war gefunden. Die Terraristikspezialisten im Team suchten nach einem festen Ufer, damit auch sie Biotope untersuchen konnten, aber es war weit und breit kein Ufer zu finden. Erst nach weiteren 30 Minuten und kräftigen Regenschauern wurde festes Land entdeckt. Ein Teil des Teams war im Wasser unterwegs, beobachtete Zwergbuntbarsche, Salmler, Saugwelse und Erdfresser, während Markus Witt, Florestan Argoud, Franz Schierer und Gernot v. Kochansky nach Terrarientieren suchten. Von diesem Tag an bewohnten zwei große Vogelspinnen und eine ganze Anzahl weiterer Krabbeltiere das Boot. Die Hälfte davon entkam im Laufe der Expedition und wurde von Zeit zu Zeit in verschiedenen Kabinen gesichtet.
Im Klarwasser des Rio Jauaperi konnten endlich auch die ersten Unterwasser-Luxmessungen durchgeführt werden. Der wasserdichte Sensor des Gerätes (WinLab Luxmeter: www.windaus.de) besitzt ein 5 m langes, wasserdichtes Kabel mit Markierungen in 1 m Abständen. Trotz des „Klarwassers“ blieben von den 30.000 Lux direkt über der Wasseroberfläche nur 12.000 Lux in 50 cm Wassertiefe übrig. Eine gute 24 Watt T5-Aquarienröhre bringt es ohne Reflektor auf gerade Mal 1400 Lux in 50 cm Abstand – ohne Wasser gemessen und eine T8 Röhre schafft leider nur die Hälfte!
Interessanterweise lieferte der Klarwasserfluss die extremsten Wasserwerte mit einem pH-Wert von 4,5 und einem Leitwert von nur 5 µS.
Zurück auf dem Rio Negro waren alle neugierig, ob der Fluss auch mit zunehmender Tiefe unterschiedliche Wasserwerte zeigt. Also ankerte die Alyson am Flussrand und drei Freiwillige vertrauten sich dem bordeigenen „Hookah-System“ zur Luftversorgung an. Diese besteht aus einem langen Schlauch mit Lungenautomat, der direkt an einem kleinen Kompressor (Marke Baumarkt – nur teilweise verrostet) hängt. Tauchlehrer Falk Lehmann testete das System als erster und berichtete, dass in 5 m Tiefe bereits mehr Wasser als Luft eingeatmet würde. Erschwerend kam die wirklich starke Strömung hinzu, so dass der Taucher sich mit einer Armbeuge am Ankerseil einklinken musste, mit einer Unterwasserlampe in der zweiten Hand auf den Tiefenanzeiger leuchten und dann in verschiedenen Tiefen Plastiktüten mit Wasser füllen musste.
Es war eine Aktion, die keiner der drei Taucher je vergessen wird: Schon in drei Meter Tiefe schmerzte der Festhaltearm extrem, der Körper hing durch die Strömung komplett waagerecht im Wasser, die Oberfläche war bereits seit zwei Meter Tiefe nicht mehr zu sehen. Das Wasser war schwarz und das eigene Handgelenk mit dem Tiefenanzeiger war nur im Lampenlicht zu erkennen, wenn man es direkt vor das Gesicht hielt. Jedes Toilettenwasser hat eine bessere Sichtweite! In fünf Meter Tiefe ersetzte der Lungenautomat die Atemluft zunehmend durch Wasser. Mit etwas Übung konnte man im Mund das Wasser von der Luft trennen und sich an der Leine tiefer hangeln. In sieben bis acht Meter waren nur noch Reste von Atemluft im Mund zu erahnen. Dort fand dann der artistische Akt der Probennahme statt. Am schlimmsten war das ernüchternde Ergebnis: Alle Werte blieben konstant, nur der Sauerstoffgehalt sank um 2 %. Okay – manchmal gehen Versuche auch in die Hose.
Amazonasdelfine
Täglich waren von Deck aus die berühmten Amazonasdelfine zu sehen und bei allen entstand der Wunsch, diese Tiere auch unter Wasser sehen zu können. In Novo Airão, nur noch einen Tag von Manaus entfernt, gibt es einen Spot, an dem die Delfine angefüttert werden und daher die Nähe von Schwimmern und Tauchern dulden. Und tatsächlich kamen frei lebende Delfine (von denen es zwei Arten gibt), um den Teammitgliedern Futterfische aus der Hand zu fressen. Es war ein unbeschreibliches Erlebnis, mit diesen grau-rosa, bis drei Meter großen, halb blinden Zahnwalen auf Tuchfühlung zu tauchen und zu schnorcheln. Im Geist addierten wir die Verkaufspreise der Futterfische: Leporinus-Arten, Cichla occelaris, Pacus. Erschreckend, was ein Delfin so alles frisst.
Der letzte Teil des ersten Reiseabschnittes führte die Alyson zu einer Abkürzung zwischen Rio Negro und Solimões, in dem endlich auch die typischen großen Schwimmblätter der Victoria regia, die 1837 den Namen zu Ehren der britischen Königin erhielt. Die stachelige Unterseite der Schwimmblätter, die bis zu 60 kg tragen können, schützt sie vor Pflanzenfressern.
Im nährstoffarmen Wasser des Rio Negro waren praktisch keine Unterwasserpflanzen zu finden. Erst im Verbindungskanal, in den der Solimões bereits Wasser hineindrückte, stieg der Nährstoffgehalt und die Artenzahl der Wasserpflanzen nahm signifikant zu.
Zum Schluss wurden auch im Solimões/Amazonas noch die letzten Wasseranalysen durchgeführt, bevor die Alyson zur Schnittstelle der beiden Flüsse fuhr. Schon optisch unterschied sich das Amazonaswasser deutlich vom Rio Negro. Es war nur einen Grad kälter (die Sonne heizt dunkles Wasser stärker auf als helles Wasser), der pH-Wert lag mit 6,5 deutlich höher und die Leitfähigkeit von 83 µS/cm zeigt klar den höheren Nährstoff-Mineraliengehalt (gelöstes Gestein/Sediment aus den Anden) im Vergleich zum Rio Negro (gelöste Huminstoffe aus Überschwemmungsgebieten) an. Erstmalig war auch eine Karbonathärte von 2 °dKH zu messen. Nach Beendigung der Messungen waren alle an Deck, um das weltberühmte „Treffen der beiden Wasser“ zu sehen. Das deutlich dunklere Rio Negro Wasser trifft 10 km östlich von Manaus auf das hellere Wasser des Solimões und vereinigt sich dann zum Amazonas, dem wasserreichsten Strom der Erde (nur etwas kürzer als der Nil). Die unterschiedlichen Wasserwerte und die (nur) 1 ° unterschiedliche Temperatur verhindern ein sofortiges Vermischen beider Flusswasser, die im Amazonas dann noch mehrere Kilometer nebeneinander mit deutlich sichtbarer Trennlinie nebeneinander herfließen.
Teilnehmer der 5. JBL Expedition Brasilien
- Heiko Blessin, Dipl.-Biologe, Leiter der Expedition, JBL Deutschland
- Dr. Ludwig Neurohr, Teamarzt, Tauchmediziner, Deutschland
- Falk Lehmann, Kameramann, Tauchlehrer, Deutschland
- Dr. Fritz Schindler, Mikrobiologe, Deutschland
- Philippe Gras, Zoofachhändler, Frankreich
- Jose Israel Ramirez, Aquarianer, Mexiko
- Markus Witt, Zoofachverkäufer, Deutschland
- Florestan Argoud, Zoofachhändler, Frankreich
- Harald Rosentritt, Aquarianer, Deutschland
- Thomas Süß, Zoofachhändler, Deutschland
- Bernd Terletzki, Zoofachhändler, Deutschland
- Franz Schierer, Zoofachhändler, Deutschland
- Gernot v. Kochansky, Zoofachhändler, Deutschland
- Helmuth Becker, Zoofachhändler, Deutschland
- Leander Krebs, Zoofachhändler, Deutschland
- Stiev Lorenz, Zoofachverkäufer, Welszüchter, Deutschland
Wasseranalyse-Ergebnisse aus Amazonien
(ermittelt mit JBL Wassertests und WTW-Laborgeräten)
Rio Negro
(0121831 südl. Breite / 6159159 westl. Breite)
Wassertemp.: |
29,4 °C |
Wassertyp: |
Schwarzwasser |
pH: |
4,6 |
Leitfähigkeit: |
16 µS/cm |
Sauerstoffgehalt: |
72,4 % |
GH / KH: |
nicht messbar |
Rio Branco
(0122528 südl. Breite / 6151502 westl. Breite)
Wassertemp.: |
30,0 °C |
Wassertyp: |
Weißwasser |
pH: |
6,5 |
Leitfähigkeit: |
19 µS/cm |
Sauerstoffgehalt: |
60,0 % |
GH / KH: |
nicht messbar |
Rio Jauaperi
(0122089 südl. Breite/ 6131339 westl. Breite)
Wassertemp.: |
26,3 °C |
Wassertyp: |
Klarwasser |
pH: |
4,5 |
Leitfähigkeit: |
8 µS/cm |
Rio Solimões
(Amazonas)
Wassertemp.: |
27,9 °C |
Wassertyp: |
Weißwasser |
pH: |
6,5 |
Leitfähigkeit: |
83 µS/cm |
Sauerstoffgehalt: |
49,0 % |
GH / KH: |
2 °dKH |