Wie im letzten Blogbeitrag Unterstützung eines besonderen Schulprojekts in Ungarn bereits berichtet, unterstützt JBL das Erhaltungszuchtprogramm für Hochlandkärpflinge des ungarischen Gymnasiums Kossuth Lajos (KLG) in Mosonmagyaróvár. Márk Liziczai, Leiter dieses tollen Projektes, lieferte uns noch weitere spannende Details, welche wir euch auf keinen Fall vorenthalten wollten:
Im Jahr 2013 startete das KLG Goodeid-Projekt an der Kossuth Lajos Gymnasium in Mosonmagyaróvár. Damals brachte Liziczai Márk als Schüler der Schule die Idee zur Gründung des Projekts ein, das er seither als Lehrkraft der Einrichtung leitet.
Das Ziel des Projekts ist nichts anderes als der Schutz und die Erhaltung der hochgefährdeten Hochlandkärpflinge (wissenschaftlich bekannt als Mitglieder der Goodeidae-Familie), die sich am Rande des Aussterbens befinden. Das Kossuth Lajos Gymnasium war die weltweit erste öffentliche Bildungseinrichtung, die ein Erhaltungsprogramm für diese äußerst seltenen Fische gestartet hat. Kurz nach der Gründung wurden wir Mitglied der internationalen Goodeid Working Group (GWG), in der bisher nur Zoos und eine Universität in Mexiko vertreten waren. Im Jahr 2018 wurde mir die Ehre zuteil, zum ungarischen Koordinator der GWG ernannt zu werden. Das Projekt befindet sich nun im neunten Schuljahr. Das Hauptziel des Programms ist die Erhaltung gefährdeter Arten unter künstlichen Bedingungen. Die im Labor der Schule geschlüpften Jungfische werden interessierten Züchtern kostenlos zur Verfügung gestellt, um eine stabile europäische Hintergrundpopulation zu gewährleisten.
Derzeit halten und züchten wir 21 verschiedene Fischarten die in unterschiedlichem Maße bedroht sind. Das Projekt konzentriert sich hauptsächlich auf den Schutz der Hochlandkärpflinge, nimmt jedoch auch aktiv an der Erhaltung seltener Schwertträgerfische teil, die ebenfalls zu den Lebendgebärenden Zahnkarpfen gehören. Derzeit züchten wir den Schwertträger-Platy (Xiphophorus xiphidium), für den ich als europäischer Artkoordinator fungiere und die ausgestorbene Monterrey-Platy auch. Unter den Goodeidae-Arten haben wir mehrere symbolträchtige Arten, wie zum Beispiel den Tequila-Zahnkarpfen, der die erste einst in der Wildnis ausgestorbene, aber heute erfolgreich wiederangesiedelte Fischart ist, oder den seltenen Stamm des Neotoca bilineata oder Characodon audax, der kurz vor dem Aussterben steht. Doch am stolzesten bin ich auf die beiden von uns gepflegten Allotoca-Arten. Der Allotoca maculata ist stark gefährdet und wird außerhalb unserer Einrichtung nur von ein-zwei einzigen Züchter in ganz Europa betreut. Der Allotoca goslinei ist bereits in der Natur vollständig ausgestorben und existiert nur noch in Aquarien, daher ist es eine immense Verantwortung, mit ihnen zu arbeiten. Mein größter Stolz jedoch ist der Allodontichthys polylepis. Vor kurzem haben wir uns um 10 Exemplare dieser einst als eine der seltensten Fischarten der Welt geltenden Art bereichert, was eine enorme Ehre ist.
Das Projekt hat ein doppeltes Ziel. Das Hauptziel ist natürlich die direkte Naturschutzarbeit, um die Zukunft der Arten zu sichern. Das andere Ziel ist jedoch nicht weniger wichtig: Die Schülerinnen und Schüler des KLG sollen für Umweltbewusstsein, Naturschutz und Nachhaltigkeit sensibilisiert werden. Es gibt keine andere Schule auf der Welt, an der die Schülerinnen und Schüler mit ausgestorbenen Tieren aus der Wildnis arbeiten können, denn an der Schule in Mosonmagyaróvár (mit Lehrerunterstützung) ist es Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, sich um die Fische zu kümmern. Für viele Schülerinnen und Schüler war es schon fast eine kathartische Erfahrung zu erkennen, dass sie mit viel selteneren Tieren arbeiten können, wie zum Beispiel dem ikonischen Riesenpanda. Dadurch wird natürlich auch ihr Verantwortungsbewusstsein gestärkt, und sie werden zu verantwortungsvoller Tierhaltung erzogen. Aber was noch wichtiger ist, ist die positive Ausrichtung ihres ökologischen Bewusstseins und ihr Bestreben, eine umweltbewusste Denkweise zu entwickeln. Das Projekt ist auch ein sehr wichtiger Bestandteil des Eco-School-Programms.
Die Bedeutung ihres Schutzes liegt darin, dass die Hochlandkärpflinge ursprünglich in Mexiko beheimatet sind, wo der Naturschutz noch in den Kinderschuhen steckt. Die immens verschmutzten Gewässer, die Wasserentnahme, der zunehmende Klimawandel und die eingeschleppten invasiven Raubfische haben innerhalb weniger Jahrzehnte dazu geführt, dass diese Arten an den Rand des Aussterbens gebracht wurden. Abgesehen von ihrer Rolle im ökologischen System handelt es sich um eine sehr besondere Gruppe von Arten, da sie praktisch die zweitentwickeltste Fortpflanzungsstrategie nach den Säugetieren haben. Die weiblichen Zahnkarpfen sind nämlich in der Lage - im Gegensatz zu anderen lebendgebärenden Fischarten - ihre Nachkommen während der embryonalen Entwicklung über ein plazentaähnliches Organ und eine Nabelschnur (trophotaenia) zu ernähren. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass die in der Kossuth-Schule gezüchteten Fische niemals in die Natur zurückkehren werden, sondern ihrer Art eine sichere Basis und eine garantierte Zukunft bieten. Glücklicherweise haben in den letzten Jahren immer mehr seriöse Forschungsarbeiten und lokale Naturschutzinitiativen in Mexiko begonnen, so dass nicht alles verloren ist. Es gibt noch Hoffnung, dass diese Arten irgendwann wieder ihren ehemaligen Lebensraum besiedeln können.
Mit folgenden Fischarten beschäftigt sich das KLG Goodeid Projekt:
- Allodontichthys polylepis
- Allotoca goslinei
- Allotoca maculata
- Allotoca zacapuensis
- Ameca splendens
- Ataeniobius toweri
- Chapalichthys pardalis
- Characodon audax
- Goodea atripinnis
- Ilyodon furcidens
- Neotoca bilineata
- Xenoophorus captivus
- Xenotoca doadrioi
- Xenotoca eiseni
- Xenotoca lyonsi
- Xenotoca cf. melanosoma
- Zoogoneticus purhepechus
- Zoogoneticus tequila
- Xiphophorus xiphidium
- Xiphophorus sp. Regio
- Xiphophorus couchianus
Weitere Infos zur Schule und dem Projekt findest du unter folgenden Links:
© 18.06.2023
